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 Der Zauberwald
Amalia Offline



Beiträge: 280

15.11.2007 13:57
Tango Antworten

Das La Ventana verriet ihnen der Taxifahrer, gehörte zu den ältesten Tangolokalen von Buenos Aires, es öffnete seine Türen damals, als dieser Tanz geboren wurde.
„Sie werden auf Ihre Kosten kommen“, meinte er, während er durch das Viertel San Telmo fuhr, dort wo der Tango zu Hause war.

Julia beobachtete an den Nebentischen Touristen, bunt zusammengewürfelt aus aller Herren Länder, wie sie der Tangodarbietung auf der Tanzfläche zuschauten. Sie saßen dicht zusammengedrängt an kleinen Tischen und betrachteten wie gebannt das Schauspiel.
Andreas bestellte noch eine Flasche Rotwein. Ihm schien zu gefallen was er sah, er prostete Julia kurz zu und schaute wieder auf das Paar.
Die Tangotänzerin trug ein rotes fast bodenlanges Kleid aus Seide mit tiefem Rückenausschnitt und ganz auf Taille geschnitten und rote Schuhe. Sie hatte langes schwarzes, leicht gelocktes Haar. Ihr Gesicht verriet den leidenschaftlichen Ausdruck wie man sie bei Lateinischen Menschen findet, aber sie blickte ernst. Die Bewegungslosigkeit in ihren Zügen war vorherrschend. Ihre Bewegungen und die Musik strahlte eine geradezu feurige Seele aus. Es war eine ambivalente Strömung, in deren Sog Julia hineingezogen wurde. Da war heiß und da war Kalt. Es war dieser unbeschreibliche Widerspruch der in der Luft lag.
Julia trank das Glas leer und bat ihren Freund ihr nachzuschenken. Dann widmete sie sich erneut dem Tangopaar. Der Tänzer war vielleicht dreiβig. Sein ernstes Gesicht, sein fast provokantes Unbeteiligt sein, das war es, was Julia gefangen nahm. Dazu trug auch das streng nach hinten gekämmte Haar bei. Alles so glatt, so kühl. Die schwarzen Hosen und die Weste über einem weißen Seidenhemd nebst den Lackschuhen, die leicht über den Boden glitten, fast schwebend. Unwillkürlich musste Julia an einen Tiger denken. Geschmeidig, sanft und von einer Wildheit, die man ahnte. Er führte mit sicheren Schritten seine Partnerin, beugte sie gefährlich weit nach vorne, lehnte seinen Kopf an ihre Brüste. Fasziniert beobachtete Julia, sah nur noch ihn, verfolgte jede seiner Bewegungen genau. Plötzlich blickte er in ihre Richtung. Einen unendlichen Augenblick lang blieb alles um sie herum stehen. Dehnte sich die Zeit und wurde zur Ewigkeit.
Julia und der Tänzer befanden sich in einem neu geschaffenen Universum, wo die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft in sich zusammen fielen. Seine Bewegungen wurden langsamer und blieben schließlich stehen. Eingehüllt in bläulich weiße Rauchschwaden von Zigaretten stand er da und blickte noch immer in ihre Augen.

Der Applaus holte Julia zurück in die Wirklichkeit. Aber nicht ganz. Sie trank einen Schluck Wein. Erhob sich. Lächelte Andreas zu.
„Ich bin gleich wieder da.“ Sie verschwand in Richtung Toilette.
Was war das? , fragte sie sich. Liebe etwa? Oh mein Gott, ich stehe voll unter Strom dachte sie, während ihr Herz wie wild pochte. Dieser Blick von ihm galt mir. Ich weiβ nicht mehr so genau was ich tue, aber es ist mir egal.

Hinten ein enger Flur. Die Tür der Künstlergarderobe war angelehnt. Julia brauchte sie nur leicht aufzudrücken. Er saß vor dem Spiegel. Und er war allein.
„Olá.“ Sie lächelte ein wenig unsicher. „Ich wollte mich bedanken. Sie haben toll getanzt. Verstehen Sie englisch?“
„Olá.“ Er lächelte und stand auf. „Ich weiß dass es dir gefallen hat.“ Er kam auf sie zu und umfasste ihre Hüften. „Deine Augen waren nur noch bei mir“, murmelte er in ihr Haar.
Julia fühlte seine Nähe. Sein Körper verströmte eine Mischung aus Schweiß, Tabak und dem herben Duft eines Parfüms.

Erinnerungen, wie sie Andreas kennen lernte, stürzten in einem Zeitraum von Sekunden auf sie ein. Es war eine dieser Studentenfeste gewesen. Sie hatte den ganzen Abend mit Andreas getanzt. Er roch nach Seife, so frisch und klar wie ein Bergsee. Und seine Augen blau wie der Himmel darüber, verlässlich, nicht wie die Augen dieses Mannes hier...

Es war wie selbstverständlich, dass sie zusammenzogen. Andreas studierte noch und sie arbeitete damals am Flughafen. Ihm konnte sie vertrauen, dass wusste sie.
Sie seufzte, verdrängte die Bilder. Hier war der Fremde und nur noch Verlangen. Wild und kompromisslos.

„Du zitterst.“ Er küsste sie. Erst sanft, dann hart fordernd, so wie er tanzte.
Als er von ihr abließ, griff er nach der Zigarettenschachtel und bot ihr eine an.
Er betrachtete sie aufmerksam. Blickte in ihre graugrüne Augen und blies den Rauch seiner Zigarette nach oben in die Luft.
„Du und ich, wir sind gefangen wie in einem Rausch und nichts wird nachher mehr sein wie es vorher einmal war. Das weiβt du?“ Sie nickte. „Ich will diese Nacht mit dir verbringen“, antwortete sie leise.
Er lächelte, falls er geschockt war, lieβ er es sich nicht anmerken.
„Und dein Mann?“ wollte er wissen.
„Er ist mein Freund.“
„Dann lass uns gehen querida.“
„Hast du Papier?"
Er ging zum Tisch und holte Block und Kugelschreiber. Julia schrieb: „Andreas, bitte mache dir keine Sorgen. Bin morgen früh wieder im Hotel.“
„Warte hier auf mich“ forderte er sie auf und ging hinaus auf den Flur. Sie vernahm ihn leise mit jemandem sprechen.
Dann kam er zu ihr, nahm sie wortlos an der Hand und verließ mit ihr das Lokal durch den Hinterausgang.
Text v Ali



Ali

"wer endlich durch den Zauberwald findet... erblickt in der Ferne die Zinnen und Türme der Gralsburg... dort ist der Eingang zur verborgenen Kristallgrotte

Die Suche nach dem heiligen Gral... man findet ihn nicht so ohne weiteres und nur wer seiner würdig ist, findet ihn,und dann kommt der Gral zu ihm"

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